Wortlaut vom 16.September 2020
Interpellation Bruss-Diepoldsau / Kuster-Diepoldsau:
«Spitäler aus dem Spitalverbund entlassen – wirtschaftliche Selbständigkeit ermöglichen
Wir gehen schwierigen Zeiten entgegen, nur die Besten werden und sollen überleben. Corona
hat die Situation noch verschärft. Unsere Spitäler brauchen Geld, viel Steuergeld. Trotzdem wollen praktisch in jeder Region die Leute ihr Spital behalten. Die Querfinanzierungen innerhalb der
Spitalverbunde hemmen die Selbständigkeit der einzelnen Spitäler.
Die Spitalverbunde verwässerten mit ihren Vorgaben die Leistungsfähigkeit der einzelnen Standorte. Im Interesse und für die Fairness aller, sollte jedes Spital eine faire Chance erhalten, seinen
Betrieb wirtschaftlich und bedarfsgerecht aufzustellen. Sie müssen die Möglichkeit erhalten, innovativ zu arbeiten und den regionalen Bedarf abzudecken. Innerhalb einer vorgegebenen Frist –
z.B. 3 Jahren – muss jeder Standort ein finanziell positives Resultat erarbeiten – sonst wird es
definitiv und komplett geschlossen. Es gibt keine Nachtragskredite mehr. Die Bewohner der einzelnen Regionen haben es also mit der Wahl des Spitalaufenthaltes selbst in der Hand. Von dieser Ausmarchung ist das Zentrumsspital St.Gallen natürlich ausgeschlossen.
Wir bitten die Regierung um die Beantwortung folgender Fragen:
- Wurde die oben genannte Variante schon geprüft?
- Könnte die freie Spitalwahl wieder rückgängig gemacht werden, und mit freiwilligen Zusatzversicherungen die einzelnen Standorte zusatzfinanziert werden?
- Wäre das nicht die fairste Lösung für alle Betroffenen?
- Was spricht dagegen?»
- Bruss-Diepoldsau
Kuster-Diepoldsau
Schriftliche Antwort der Regierung vom 16.September 2020
Kantonsrat St.Gallen 51.20.54
Dringliche Interpellation Bruss-Diepoldsau / Kuster-Diepoldsau vom 14. September 2020
Spitäler aus dem Spitalverbund entlassen – wirtschaftliche Selbständigkeit ermöglichen
Carmen Bruss-Diepoldsau und Peter Kuster-Diepoldsau erkundigen sich in ihrer dringlichen Interpellation vom 14. September 2020, ob die Regierung im Rahmen ihrer Arbeiten zur Weiterentwicklung der Strategie der St.Galler Spitalverbunde eine Variante geprüft habe, in der alle Spitäler – abgesehen vom Kantonsspital St.Gallen – eine Chance erhalten, innerhalb einer vorgegebenen Frist ein positives Unternehmensergebnis zu erarbeiten.
Die Regierung antwortet wie folgt:
Die anstehenden qualitativen und wirtschaftlichen Herausforderungen für die vier Spitalverbunde
im Besitz des Kantons St.Gallen haben die Regierung dazu bewogen, dem Kantonsrat mit der
Vorlage «Weiterentwicklung der Strategie der St.Galler Spitalverbunde» (22.20.02 et al.) verschiedene Massnahmen zur Beschlussfassung zu unterbreiten. Kernelemente der Vorlage sind
die Reduktion der Zahl der Spitalstandorte und die Schaffung von ambulanten Gesundheits- und
Notfallzentren (GNZ), die jährliche Aufstockung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen des Kantons an die Spitalverbunde um 20 Mio. Franken, die Rekapitalisierung der Spitalverbunde Rheintal Werdenberg Sarganserland (SRRWS) und Fürstenland Toggenburg (SRFT) sowie der Verzicht auf das Bauvorhaben am Spital Altstätten bzw. auf die ausstehende Bau-Etappe am Spital
Wattwil. Der Kantonsrat berät die Vorlage in erster Lesung an der Septembersession 2020.
Die Interpellantin und der Interpellant teilen offenbar die finanziellen Schlussfolgerungen der Regierung, schlagen jedoch ein alternatives Szenario für die Strukturbereinigung vor. Gemäss ihrem
Vorschlag soll der «freie Markt» darüber entscheiden, welches Spital an welchem Ort inskünftig
noch betrieben werden soll. Dabei soll einzig und alleine das Kriterium «Profitabilität» zur Anwendung kommen. Die Regierung lehnt dieses Szenario ab, da es nicht konform mit dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung (SR 832.10; abgekürzt KVG) ist.
Zu den einzelnen Fragen:
- Das von der Interpellantin und dem Interpellanten ansatzweise skizzierte Szenario wurde
nicht geprüft. De facto würde ein solches Szenario bedeuten, dass die vier Spitalverbunde
bzw. die einzelnen Spitalstandorte privatisiert werden müssten. So lange der Kanton Träger
der Spitalverbunde ist, besteht eine gesetzliche Verpflichtung, die jeweiligen Spital-Unternehmen mit finanziellen Beiträgen vor dem Konkurs zu bewahren. Eine Privatisierung entsprach bis anhin nicht dem Willen der Regierung. Ein «Verkauf» an private Trägerschaften
wäre nur realistisch, wenn die zur Disposition stehenden Unternehmen finanziell gesund dastehen würden, was wiederum neue Gelder seitens des Kantons erfordern würde. - Diese Variante sieht das KVG nicht vor.
3./4. Aus Sicht der Regierung hätte das vorgeschlagene Szenario eine unkontrollierbare, nur wirtschaftlichen Prinzipien folgende Strukturbereinigung zur Folge. Die Variante ist zudem nicht
umsetzbar. Die Spitalverbunde verfügen nicht über die finanziellen Mittel, um die einzelnen
Spitalstandorte drei weitere Jahre probehalber weiter zu betreiben. Es wären also massive
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Zuschüsse des Kantons erforderlich. Dieser wiederum muss – solange er Inhaber der Spitalverbunde ist – seinen finanziellen Verpflichtungen zur Sicherstellung des Betriebs der Spitalverbunde bzw. Spitalstandorte nachkommen. Es bestehen aber auch keine gesetzlichen
Grundlagen, um eine solche Variante umzusetzen. Schliesslich besteht die Gefahr, dass die
vorgeschlagene Variante in gewissen Regionen zu Versorgungslücken führen könnte.