Wortlaut
Kantonsrat St.Gallen 61.22.39
Einfache Anfrage Bruss–Diepoldsau:
«Biogas statt Gebühren für Grüngutabfuhr
Wollen Bund und Kantone Steingärten fördern und den Biogasanlagen die Grundlagen ent–
ziehen?
Immer wird von Energiemangel, Biodiversität, Naturschutz usw. gesprochen und gleichzeitig
werden Leute, die im privaten Bereich dafür gratis arbeiten und Grünflächen pflegen, mit Ge-
bühren bestraft.
Grüngutabfälle sind keine Siedlungsabfälle, sondern wertvolle natürliche Grundlagen zur Ener-
giegewinnung.
Es ist unverständlich, dass der Kanton hier das Potenzial nicht schon lange erkannt hat und
blindlings den Gemeinden das Bundesgesetz zur Umsetzung aufzwingt.
Diesem unsensiblen Umgang mit Ressourcen und die dauernde Mehrbelastung der arbeiten-
den Bevölkerung mittels Gebühren und Auflagen muss entschieden entgegengewirkt werden.
Gesetze sollten nicht gedankenlos umgesetzt werden, sondern sind rasch den Begebenheiten
anzupassen und zu optimieren – in unserem Fall das Bundesgesetz über Umweltschutz.
Wie aktiv unsere Regierung sein kann, hat sie im Umgang mit Corona und dem Ukrainekrieg
bestens bewiesen (z.B. Gesetz 22.22.13 ‹Massnahmen zur Milderung der Folgen des Ukraine–
Kriegs› vom 28. Juni 2022). Hoffentlich kann unsere Regierung ihren Drive behalten, diesmal
für Energie, Umwelt und nicht zuletzt für die St.Galler Bevölkerung.
Ich bitte die Regierung um die Beantwortung folgender Fragen:
1. Können Grüngutabfälle nicht aus dem Abfallreglement entfernt und nicht mehr als Sied-
lungsabfälle deklariert werden?
2. Wird sich die Regierung dafür einsetzen, dass das Bundesgesetz umgehend geändert
wird?
3. Wie steht die Regierung zur Energiegewinnung mittels Biogasanlagen?
4. Ist der Kanton in diesem Bereich auch tätig?»
17. Oktober 2022 Bruss–Diepoldsau
Kantonsrat St.Gallen61.22.391/2
Einfache Anfrage Bruss-Diepoldsauvom 17. Oktober 2022Biogas statt Gebühren für GrüngutabfuhrSchriftliche Antwort der Regierung vom 10. Januar
2023Carmen Bruss-Diepoldsau erkundigt sich in ihrer Einfachen Anfrage vom 17. Oktober 2022 nach der Möglichkeit, Grüngutabfälle aus dem Abfallreglement zu entfernen und nicht mehr als Sied-lungsabfälle zu deklarieren.Sie möchte wissen, ob sich die Regierung dafür einsetzen wird, dass das Bundesgesetz über den Umweltschutz(SR 814.01;abgekürzt USG) umgehend geändert wird. Zudem interessiert sie, wie die Regierung zur Energiegewinnung mittels Biogasanlagen steht und ob der Kanton in diesem Bereich auch tätig ist. Die Regierung antwortet wie folgt:Grünabfällegehören zu den Siedlungsabfällen. Dies ergibt sich ausder eidgenössischen Verord-nung über die Vermeidung und die Entsorgung von Abfällen (Abfallverordnung [SR 814.600; ab-gekürztVVEA])und nicht aus dem Umweltschutzgesetz. Hingegen regelt das USGdie Finanzie-rung bei Siedlungsabfällen. Es verpflichtet die Kantone,dafür zu sorgen, dass die Kosten für die Entsorgung der Siedlungsabfälle mit Gebühren oder anderen Abgaben denVerursacherinnen undVerursachern überbunden werden. Im Kanton St.Gallen obliegt gemässEinführungsgesetz zur eidgenössischen Umweltschutz-gesetzgebung (sGS672.1; abgekürzt EG-USG) die Entsorgungvon Siedlungsabfällen den poli-tischen Gemeinden. Diese regeln die Abfallbewirtschaftung in ihrem Zuständigkeitsbereich durch ein Abfallreglement.
Dabei haben sie, was die Gebührenregelung für Grünabfälle betrifft, einen gewissen Spielraum.Dies ermöglicht es den Gemeinden, ihr Gebührenmodell an die regionalen und lokalen Besonderheiten anzupassen.Zu deneinzelnen Fragen:1.Grünabfälle gelten aufgrund des Bundesrechts als Siedlungsabfälle. An dieser Beurteilungwürde sich auch mit einer Entfernung der Grünabfälle aus dem kommunalen Abfallreglement nichts ändern.2.Die Abfallverordnung enthält die Anforderungen an die Entsorgung von Siedlungsabfällen. Alle verwertbaren Anteile vonSiedlungsabfällen sind getrennt zu sammelnund stofflich zu verwerten, soweitdies möglich und sinnvoll ist. Die ausdrückliche Nennung vonGrünabfäl-len stellt eine Neuerung in der Abfallverordnung dar.Die separate Sammlung und stoffliche Verwertung der in der Abfallverordnung ausdrücklich genannten Siedlungsabfallfraktionen (Glas, Papier, Karton, Metalle, Grünabfälle und Texti-lien) ist gemäss heutiger Praxis technisch und organisatorisch möglich, wirtschaftlich tragbar und weitgehend flächendeckendetabliert. Kantone und Gemeinden sind deshalb grundsätz-lich verpflichtet, diese Separatsammlungen durchzuführen. Davon kann nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden, wenn eine ökologisch sinnvolle Verwertung nicht mög-lich ist. Dies könnte z.B. beim Grünabfall bei einer fehlenden Behandlungsanlage in der Re-gion der Fall sein.
2/2Zur Deckung der Entsorgungskosten von Grünabfällen wird dieErhebung von Grüngut-gebühren empfohlen. Dennsowohl die Kosten für die Entsorgung als auch die zu entsor-genden Mengen von Grünabfällen sind mit denen des Kehrichts vergleichbar. Um der Len-kungswirkung –stofflich verwertbare Abfälle getrennt zu sammeln–nicht entgegenzuwirken, sollten Gebühren für Grünabfälle tiefer angesetzt werden als die Kehrichtgebühr.Diehier massgebendenBestimmungen derAbfallverordnung bewähren sich in der Praxis. Die Regierung sieht keinen Anlass, sich für eine umgehende Änderung einzusetzen. 3.Mit dem St.Galler Energiekonzept 2021–2030 (40.20.05) strebt die Regierung die vermehrte Nutzung und Produktion von erneuerbaren Energien an.Biogas gehört zu den erneuerbaren Energieträgern. Es stärkt die einheimische Energieproduktion und spielt insbesondere bei der Transformation der Wärmeversorgung, namentlich in der Industrie eine wichtige Rolle. Damit die Herstellung von Biogas die Nahrungs-und Futtermittelproduktion nicht konkur-renziert oder die natürlichen Ressourcen nicht übernutztwerden,soll Biogas bevorzugt aus Rest-und Abfallstoffen hergestellt werden. 4.DieEnergieversorgung ist gemäss Art. 6 des eidgenössischen Energiegesetzes (SR 730.0) grundsätzlich Sache der Energiewirtschaft. Seit dem Jahr 2011 unterstützt die Gaswirtschaft ihre Mitgliedsfirmen mit einem Förderprogramm bei der Realisierung von Biogasanlagen.Zudem unterstützt dasEinspeisevergütungssystem des Bundes für Strom aus erneuerbaren Quellen die Umwandlung von Biogas in Strom. Die Regierung sieht deshalb keine Notwen-digkeit, dass der Kanton selber im Bereich der Biogasproduktion tätig wird oderfinanzielle Beiträge an den Bau und Betrieb von Biogasanlagen leistet.